Sie gehören zu den meistgehassten, meistge-fürchteten, zertretenen, erschlagenen oder sonstwie ins Jenseits beförderten Mitgeschöpfen. Sie sind erfolgreiche Jäger, schlaue Fallensteller, geniale Baumeister, fürsorgliche Mütter; ihr Beitrag zur Reduzierung sechsbeiniger Plagegeister ist nicht einmal annähernd zu schätzen. Darüber hinaus sind viele von ihnen auch noch grazile Schönheiten, allerdings, das sei zugegeben, bei Betrachtung durch ein Vergrößerungsglas durchaus keine Kuscheltiere. Gefährlich ist keine einzige der etwa 1000 Arten, die in unseren Breiten heimisch sind: Es geht um Spinnen.
Erst kürzlich, wie fast in jedem Jahr um diese Zeit, rauschte es durch die Medienlandschaft, dass jetzt am Winterbeginn 10 cm (in England sogar 12 cm!) große, beißende Spinnen in unsere Häuser und Wohnungen eindringen, auf der Suche nach frostsicheren Winterquartieren. Offensichtlich hat da den Redakteuren die Arachnophobie, die Angst vor Spinnen, die Feder geführt, denn Spinnen solcher Größe gibt es in unseren Breiten nicht. Die Beine werden bei der Körpergröße ohnehin nicht mitgerechnet, so dass die größten Arten bei uns nur knapp 20 mm erreichen. Eine dunkle, behaarte Hauswinkelspinne auf einer weißgetünchten Kellerwand erreicht mit Beinen gerade mal 50-60 mm, wird aber vom Schreck der plötzlichen Begegnung (und der Angst) vielleicht auf das Doppelte vergrößert.
Zu den Spinnentieren gehören übrigens neben den Webspinnen auch noch die Weberknechte, Skorpione, Pseudoskorpione, Milben und auch Zecken. Die Wissenschaft fasst sie alle unter dem Begriff Arachnidae zusammen, und damit hat es eine besondere Bewandtnis. Im alten Griechenland lebte die Weberin Arachne, weithin berühmt für ihre Kunstfertigkeit. Ihre Fähigkeit machte sie schließlich so hochmütig, dass sie sogar die Göttin Athene herausforderte. Bei dem Wettstreit erdreistete sie sich auch noch, die Liebeskapriolen der olympischen Götter in ihr Tuch einzuweben. Die Arbeit war makellos, aber der Inhalt erzürnte die Göttin so, dass sie Arachne verprügelte. Die fürchtete daraufhin weitere Rache und erhängte sich. Athene aber verwandelte sie in eine Spinne, den Strick in einen Spinnfaden und verdammte Arachne und alle ihre Nachkommen, auf diese Weise zu leben: die Arachniden.
Betrachtet man allein die Webspinnen heute, muss man zu dem Schluss kommen, dass Arachne nicht nur fleißig gewebt hat, sondern auch fleißig Nachkommen in die Welt gesetzt hat. Viele Familien wie z. B. Wolfspinnen, Raubspinnen, Laufspinnen, Krabbenspinnen und Springspinnen, die Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig, bevölkern heute mit geschätzt zwischen 50.000 und 100.000 Arten den ganzen Planeten, in Deutschland immerhin noch etwa 1.000 Arten.
Größe, Farbe, Gestalt und Lebensweise unserer Spinnen sind ebenso vielfältig wie faszinierend. So finden wir rund um Goslar die erst vor wenigen Jahrzehnten eingewanderte Wespenspinne, eine der größten (bis 18 mm) und schönsten Radnetzspinnen. Zu den kleinsten gehört die Schwarze Glücksspinne, die mit gerade 2 mm aber noch nicht die kleinste ist. Besonders eindrucksvoll sind zweifellos die Wolfspinnen, keine Netzbauer, sonder Jäger, die ihrer Beute nachstellen. Diese Familie stellt sogar extreme Seltenheiten: Die eindrucksvolle Flussuferwolfspinne z. B., die in Niedersachsen als ausgestorben galt und über deren Wiederfund in der Okeraue das HP berichtete, oder die Streifbeinige Tarantel, die als bisher nördlichster Fund in Deutschland gilt.
Zu den Wolfspinnen gehören auch die fürsorglichsten Mütter: sie tragen zunächst den Eikokon, dann ihre Jungen auf dem Rücken mit sich herum; ihr Körper dient bei einigen Arten später sogar den Jungspinnen als Nahrung, um den Start ins Leben zu erleichtern.
Geschickte Jäger sind auch die Krabbenspinnen, allen voran die Veränderliche Krabbenspinne. Sie kann ihre Färbung dem Untergrund anpassen, so dass sie z. B. mit weißen oder gelben Blüten optisch verschmelzen und dort auf die Beute lauern. Wehe der Fliege, die das nicht sieht!
Bekannt sind bei uns vor allem die netzbauenden Arten, allen voran die Gartenkreuzspinne. Ihr Radnetz ist ein Wunder an Präzision und Festigkeit, im Morgentau sogar ein perlenbesetztes Schmuckstück. Die Spinne selbst findet man leicht, sie sitzt meist in der Mitte und wartet auf Beute. Von anderen netzbauenden Spinnen kennt man die Netze, aber kaum die Erbauer, so z. B. bei den Baldachinspinnen, deren Netze im Spätsommer zu Hunderten auf Wiesen zu finden sind. Spinnenseide ist übrigens fester und flexibler als gleichstarke Stahlfasern.
Am schwierigsten gestaltet sich die Suche nach den flinken Springspinnen. Die meisten sind sehr klein und gut getarnt, so misst z. B. das Männchen der hübschen V-Fleck-Springspinne gerade mal 4 mm. Der Familienname bezeichnet auch schon ihre Jagdmethode: sie bauen keine Netze, sondern fangen ihre Beute im Sprung. Das erklärt auch ihre extrem ausgeprägten vorderen Augen und das ausgezeichnete Sehvermögen.
Im Spätsommer und Herbst geht eine neue Spinnengeneration auf Wanderschaft, und zwar durch die Luft. Sie klettern auf hohe Pflanzen oder Weidepfähle und lassen sogenannte Flugfäden aus den Spinndrüsen. Sind diese lang genug, tragen sie die Spinne mit dem Wind davon in neue Lebensräume. Das nennt man auch „Ballooning“ und die Jahreszeit „Altweibersommer“.
Das Klischee mit dem Gattenmord nach der Paarung gilt übrigens nur für wenige Arten, namentlich bei der Schwarzen Witwe. Die kommt aber bei uns nicht vor.
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